Hamburg, X.X.2023

Lieber Herr Wöhrl,

„Wir gehen auf den Friedhof. Kommst Du mit?“ Diese Einladung klingt bis heute vertraut für mich. In einer Familie gingen wir regelmäßig gemeinsam zu den Gräbern, um ein Gebet für unsere Verstorbenen zu sprechen. Gerade Anfang November, an Allerheiligen oder Allerseelen.

Mich hat es immer beeindruckt, in der Dämmerung auf fast allen Gräbern die roten Grablichter brennen zu sehen. In diesem Jahr werde ich den gemeinsamen Gang zum Friedhof besonders vermissen. Leider kann ich mit meiner Mutter nicht zum Grab meines Vaters gehen, der im letzten Jahr verstorben ist.

Der Verstorbenen gedenken? Vielleicht gehen diese Zeilen ja ganz an Ihnen vorbei. Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal einen lieben Menschen verloren haben.

Die Corona-Krise hat uns neu vor Augen geführt: Unser Leben ist verletzlich und gefährdet. Wir haben in unserer Gesellschaft das Sterben, den Tod und die Trauer an den Rand geschoben und verdrängt. Wann waren Sie zuletzt – außer bei der Beerdigung von Königin Elisabeth II. – in der Öffentlichkeit damit konfrontiert?

Ich bin gewiss: Die Seelen der Verstorbenen leben. Und wir bleiben in Liebe miteinander verbunden. Mit meinem Brief möchte ich Sie einladen: Nehmen Sie sich in diesen Herbsttagen einmal die Zeit, an Menschen zu denken, die Sie schmerzlich in Ihrem Leben vermissen. Egal, wie und warum. Gibt es jemanden, an den Sie sich erinnern möchten?

Meine Erfahrung ist: Es tut gut, der Erinnerung Raum zu geben. Es tut gut, der Liebe für einen Menschen, den man vermisst, einen Ausdruck zu geben. Vielleicht zünden Sie eine Kerze an und bringen so Ihre Liebe zum Leuchten. Vielleicht zaubert die Erinnerung an einen lieben Menschen Ihnen ja auch ein Lächeln ins Gesicht.

Ich wünsche Ihnen alles Gute und Gottes Segen
Ihr
Erzbischof Dr. Stefan Heße

PS: Unter www.allerseelen22.de finden Sie weitere Gedanken und Impulse.